Deutscher Industrieller und Optiker. Erlernte die Kunst des Glasschleifens und bekam durch Ernst Abbe eine Anstellung bei der Optikfirma Carl Zeiss. Unten ist der Nachruf von Max Wolf aus dem Jahr 1918. Es scheint, dass Pauly eine energische Person mit vielen Interessen war. Als Industrieller sorgte sein Einfallsreichtum dafür, dass der Kohleverbrauch in der deutschen Zuckerindustrie um 30 % zurückging :-). Er produzierte mehrere große Objektive, darunter das 10"-Objektiv der Urania-Sternwarte1), das jedoch in Wolfs Nachruf nicht erwähnt wird
 | Max Pauly und seine Frau. Undatierte Fotografie |
- Nachruf von Max Wolf
- Aussage bzgl. des Urania-Objektivs (Hans G. Beck, Jena)
Max Pauly 1849-1917
Als Sohn eines Postsekretärs in Halle a. S. am 15. November 1849 geboren, das älteste dreier Geschwister, zweier Söhne und einer Tochter, erlebte er eine unruhige Jugend.
Der Vater, ein heller Kopf, aber unsteter und heftiger Gemütsart, quittierte infolge von Reibungen den Postdienst und widmete sich geologischen Studien. Er siedelte 1859 nach Harzgerode über, um dort die Leitung einer privaten Bergbaugesellschaft zu übernehmen. Der Berufswechsel ins Unsichere bildete den Grund zu jahrelangen Unstimmigkeiten mit der kunstsinnigen und seelenvollen Frau, ein Verhältnis, das den Kindern den Sonnenschein der Jugend verdunkelte.
Max, ein schwächlicher Junge, kam 1858 in die Franksche Schule in Halle, 1859 in die Volksschule nach Harzgerode, 1862 fern vom Vaterhause in die Realschule des Waisenhauses in Halle, 1863 in die Realschule in Halberstadt. Von dort wurde er, trotzdem er ein hervorragender Schüler war, vom Vater, dem es zu langsam zum Geldverdienen ging, 1866 zum Schlosser Dittmar, dem Nachbar in Harzgerode, in die Lehre gegeben. 1867 kam der Junge als Schlosser in die Maschinenfabrik von J. Billeter und später zu Billeter & Klunz in Aschersleben.
Das Jahr 1868 wurde verhängnisvoll. Die Bergbaugesellschaft war verkracht, der Vater brotlos, die Mutter durch eine Lähmung ans Bett gefesselt. Drei Jahre mußte der junge Pauly sein Brot als Schlossergeselle verdienen und die Familie ernähren helfen. In dieser schweren Zeit gab ihm die innige Liebe zur Schwester Lisbeth, die selbst aufopfernd die Mutter pflegte und das Haus versah, die Kraft, allen Jammer zu tragen. Damals knüpfte sich zwischen beiden Geschwistern ein festes Band, das alle Lagen des Lebens durchhielt und rührende Früchte trug.
Anfang der siebziger Jahre faßte der Vater Fuß in Halle. Die Verhältnisse besserten sich. In der Braunkohlenöl-Industrie entstand ihm ein guter Verdienst, und als Erfinder des Grudebetriebes in den Familien ist er zum bleibenden Wohltäter des Harzes geworden.
Max konnte die Gewerbeschule in Halberstadt beziehen, die er glänzend absolvierte. Sein Vater suchte ihn in der damals aufblühenden Zuckerindustrie unterzubringen. So kam er 1871 als Volontär zu dem berühmten Direktor Bodenbender nach Wasserleben. Da dieser dem begabten Jüngling dringend zum Studium riet, schickte ihn der Vater in der Folge auf die Universitäten Berlin und Halle und die technische Hochschule in Berlin. Nach absolviertem Studium wurde er Assistent bei Bodenbender, hielt dann 1 Semester Vorlesungen an der Zuckerschule in Braunschweig, richtete 1875 die Zuckerfabrik Ciesar bei Florenz ein und machte von seinen Ersparnissen Reisen durch Italien. 1876 promovierte er in Göttingen mit der Dissertation: Über Amidoderivate des Benzophenons und Azetons. »Sie haben mir mächtig auf den Zahn gefühlt«, äußerte er später lachend, »aber ich schaffte es«. Nach einer Kampagne bei Bodenbender, mit dem er eine Arbeit über die Glutaminsäure veröffentlichte, trat er 1876 - 77 seine erste Direktorstelle in Schwoitzsch b. H. an; aber schon 1878 übernahm er die Direktion der großen Zuckerfabrik Brottewitz b. Mühlberg a. d. Elbe.
Hier in Mühlberg lebte er sich ein; 19 Jahre wirkte er hier ununterbrochen organisierend, verbessernd und erweiternd. Von Jugend auf technisch hervorragend begabt — mit 4 Jahren baute er eine alte Uhr zusammen, und mit 9* Jahren konstruierte er eine Sonnenuhr, die auch das Datum anzeigte —, durch seine Schlosserzeit an die praktischen Griffe gewöhnt, durch sein vielseitiges Studium mit weitem Blick versehen, fand er überall zu verbessern und Neues zu erfinden. Sein damaliger Assistent, Direktor Steffens, berichtet von den ganz neuartigen Maschinenanlagen, die damals geschaffen wurden, und den durchgreifenden Verbesserungen in den damals üblichen Arbeitsverfahren. Pauly allein gebührt das Verdienst, wie Prof. Herzfeld schreibt, das Elutionsverfahren seinerzeit lebensfähig gemacht zu haben, indem er zeigte, daß die Auslaugung des Melassekalkes nur unter Bewegung und nicht, wie Bodenbender annahm, in der Ruhe möglich ist. Pauly hat viele Verbesserungen in der Zuckertechnik bekannt gegeben; erwähnt sei sein Transporteur zur Füllung der Diffuseure. Das Hauptverdienst Paulys, das seinen Namen weltbekannt gemacht hat, liegt in einer noch heute überall verwandten Erfindung, die auf dem Verkochen von Säften unter Druck beruhte, des »Paulykochers« (1889), einer Erfindung, die über die Zuckerindustrie hinaus weitgehende Anregung hinsichtlich der besseren Wärmeausnutzung beim Verdampfen von Flüssigkeiten gegeben hat. Wie segensreich sie gewirkt hat, geht daraus hervor, daß durch ihre Initiative der Kohlenverbrauch in der Zuckerindustrie um 30 % zurückgegangen ist.
Eine eingehendere Würdigung dieses Arbeitsgebietes von Pauly bleibt Fachkreisen vorbehalten. In dieser Zeitschrift müssen wir eine andere Tätigkeit Paulys betonen.
In Mühlberg gründete auch Pauly die eigene Familie. In Dresden fand er die Frau, der er in treuer Liebe anhing und die er Zeit seines Lebens auf Händen trug. Von Klara, geb. Küttner*, empfing er seinen Sohn und seine Tochter.
Frau Paulys Interessen lagen zwar auf schöngeistigem Gebiet; sie verstand es aber, sich in Paulys Interessen einzuleben und ihn im Verkehr mit seinen Leuten zu unterstützen. Die ganze Fabrik bildete bald eine große Familie, deren Haupt Pauly und seine Frau waren, und die zahlreichen Besucher aus aller Welt, die kamen, um Paulys Werk zu studieren, fanden immer ein gastfreies Haus, aus dem das Scheiden schwer fiel.
Eigentümlichkeit Paulys war seine geistige Ruhelosigkeit und seine Vielseitigkeit. Von Jugend auf ein leidenschaftlicher Schmetterlingssammler — hat er doch um ein Haar sein Doktorexamen über der Jagd eines seltenen Schmetterlings verpaßt — ein eifriger Geologe, Botaniker und Photograph, verwandte er sehr viel Zeit auf die Befriedigung dieser Liebhabereien und das damit verbundene Studium. Seine Mikrophotographien erregten Aufsehen. Wenn er dabei den Obstbaumschnitt und die Kultur als Meister beherrschte und als Geflügelzüchter und Bienenvater von weither wegen seiner Musteranlagen aufgesucht wurde, wenn er nah und fern wissenschaftliche Demonstrationsvorträge hielt, so ist es schwer zu begreifen, daß er dabei solch fundamentale Leistungen auf seinem Fachgebiet zustande bringen konnte.
Es beherrschte ihn von Kindheit auf die Sehnsucht nach den Sternen, und es überkam ihn in diesen Jahren die Lust, sich selbst Linsen zur Beobachtung anzufertigen. Er begann anfangs der achtziger Jahre ganz im stillen mit kleineren Schleifversuchen und dem eifrigen Studium der praktischen Optik. Auf einer Ausstellung (Görlitz 1885) sah er ein Spiegelteleskop, dessen Spiegel ein Herr v. Schlicht geschliffen und Herr G. Meißner in Potsdam montiert hatte. Das veranlaßte ihn, mit Herrn v. Schlicht, einem Liebhaber der praktischen Optik, der auch für H. C. Vogel Spiegel und Objektivprismen angefertigt hat, in Beziehung zu treten. Bei ihm, den er in Potsdam besuchte, lernte er die ersten praktischen Kniffe der Flächenbearbeitung. Sehr rasch arbeitete er sich in die verschiedenen Methoden der Technik ein. Zwei intelligente Arbeiter aus der Zuckerfabrik, der Schmied August Schäfer und der Maurer Karl Tauchnitz, wurden für die Arbeit herangezogen, sodaß der letztere die Schleifarbeiten, der erstere besonders die mechanischen Arbeiten übernahm. Zeitweise wurde noch ein eigener Feinmechaniker angestellt. Die praktische Erfahrung seiner Schlosserzeit und seine durch die Not gestählte Zähigkeit befähigten Pauly rasch, viele Schwierigkeiten zu überwinden, die viele andere abgeschreckt haben, und sehr bald betrieb er die Schleiferei nicht mehr, um sich Fernrohre zum Beobachten zu bauen, sondern wegen des Schleifens und Prüfens selbst, die ihn ganz in ihren Bann zogen. Sein charakteristischer Ausspruch: »Zucker machen kann jeder, aber der Zucker, den ich mache, soll der beste sein«, gab ihm auch hier den Maßstab.
Eigene Methoden der Rohbearbeitung des Glases, eigene Methoden zur Untersuchung des Materials und der Flächen wurden ersonnen. Oberstes Prinzip war Pauly, entgegen anderen Anschauungen, wenn irgend möglich die Form der Linsen streng der Rechnung entsprechend in aller Schärfe auszuführen und nur die durch Inhomogenitäten bedingte empirische Korrektion vorzunehmen, worin ihm allerdings kein zweiter gleich kam. Aluminiumtaster bisher ungekannter Genauigkeit und neue Prüfungsapparate aller Art wurden konstruiert. Die Radien ließ er sich meist von einem befreundeten Oberlehrer in Leipzig und später von ihm bekannten jüngeren Optikern in Jena rechnen, obwohl er sich anfangs auch selbst in Rechnungen versuchte. Besonderes Gewicht legte er auf die Vermeidung von Zonen und ersann besondere Kunstgriffe, ihr Entstehen möglichst gleich zu erkennen und zu verhüten. Die extrafokalen Bilder seiner späteren Objektive zeigten eine bis dahin unerhörte Zonenfreiheit, die jeden Astronomen erstaunen machte. Ebenso erkannte Pauly bald, daß eine große Fehlerquelle bei den meisten Optikern durch die Verspannung der Linsen beim Auffuttern entstand. Er vermied daher das Kitten möglichst bei großen Linsen oder, wo er Kitten mußte, verwandte er die größte Sorgfalt, um Spannungen zu vermeiden. Später ersann er auch ein eigenes Verfahren, die strenge Parabelform bei seinen Hohlspiegeln zu erzielen.
Bis Anfang der neunziger Jahre sind nur Maschinen mit Hand- und Fußbetrieb verwendet worden; von da ab traten Maschinen mit Kraftantrieb an ihre Stelle, die im Keller seines Wohnhauses aufgestellt wurden. Eine Poliermaschine für Flächen bis über 600 mm entstand 1895.
Es kam mit der Zeit eine Menge von Feinoptik aus dieser Liebhaberwerkstätte: Teleskopspiegel, Prismen, Prismensätze, Fernrohrobjektive und Okulare aller Art. Eine Anzahl ging an Meißner in Berlin und andere, die sie montierten und verkauften. Eine Reihe von Linsen ging aber unmittelbar an Liebhaber der Himmelskunde, und zwar meist so gut wie ohne Zahlung. Sobald Pauly überzeugt war, daß der Betreffende ernstlich wissenschaftlich sich betätigte und mittellos war, kannte seine Freigebigkeit kaum eine Grenze. Von den Erzeugnissen dieser Periode seien erwähnt: ein 6" Objektivprisma für Ó-Gyalla (1886) und die beiden 10" Objektivprismen für Ó-Gyalla2) und Herény* (91-93), deren einem wir v. Gothards Nebelspektren verdanken, das 8" Objektiv für den eigenen Gebrauch (88), ein 6" Objektiv für Grinenko und ein gleiches für Fauth (89). 3)
In die Jahre 91-94 fallen Paulys Versuche mit Apochromaten aus den neuen Gläsern Schotts, die, bei vollem optischen Erfolg, zwar die Unbeständigkeit dieser ersten neuen Glassorten erwiesen, zugleich aber die Anregung zur Fortsetzung der erfolgreichen Schmelzversuche Dr. Schotts bildeten. Es entstand u. a. damals ein 7" Apochromat für die Jenaer Sternwarte, ein 6" Apochromat fur die Berliner Urania, der 7" Apochromat für Fauth, mit welchem die Parallelbeobachtungen Fauths mit Brenner ausgeführt wurden. Versuche mit Gauß-Objektiven folgten, denen auch indirekt der 25 cm-Achromat des Unterzeichneten seine Entstehung verdankte.
Anfang der neunziger Jahre wurde für die eigene Sternwarte nach Entwürfen seines Freundes v. Konkoly der 8-Zöller montiert und eine primitive Kuppel gebaut. Ein Passageninstrument von v. Gothard und eine Strassersche Pendeluhr vervollständigten die kleine Sternwarte Paulys, auf der eifrig Sonne und Planeten beobachtet wurden, die aber hauptsächlich der Prüfung neuer Apparate diente.
Durch die Beziehungen mit den Optikern in Jena und mit Dr. Schott kam Pauly mit Abbe in Berührung, der in der selbstlosen, begeisterten Arbeit Paulys sein sympathisches Gegenstück fand. Als daher in Abbe, durch Freunde angeregt, sich der Gedanke gefestigt hatte, beim Zeiß-Werk die Herstellung astronomischer Instrumente aufzunehmen, war es naheliegend, daß er versuchte, Pauly für das Vorhaben zu gewinnen.
Paulys Gesundheit hatte durch den Doppelberuf recht gelitten. Er war, wie Steffens* berichtet, trotz der vielseitigen Beschäftigung die erste Autorität in seinem eigentlichen Beruf geblieben und hatte die Fabrik, dem stark anwachsenden Betrieb entsprechend, fortwährend erweitert und auf höchster Höhe erhalten. Der Arzt riet ihm, eine seiner Tätigkeiten aufzugeben. Er entschied sich zugunsten der Optik. Zucker machen könne auch ein anderer, große Linsen schleifen aber nicht, meinte er. Auch der Wunsch, die heranwachsenden Kinder in der Schulzeit im Hause behalten zu können, spielte mit.
So folgte Pauly dem Ruf nach Jena und übernahm es, als Teilhaber, eine astronomische Abteilung am Zeiß-Werk ins Leben zu rufen (1. April 1897). Sowohl Schäfer als Tauchnitz begleiteten ihn. Sie waren in der Folge seine treuen und unermüdlichen Helfer, auf deren Geschicklichkeit und Erfahrung er sich verlassen durfte.
Es wurde Pauly nicht leicht, aus der selbständigen Stellung als Direktor einer der größten Zuckerfabriken sich in die doch abhängige Stellung im Zeiß-Werk hineinzufinden, und es war für ihn — den großen Organisator und unternehmenden Geschäftsmann — entschieden ein Fehler, nach dem Tode des großen Abbe seine Teilhaberschaft aufzugeben, um Zeißscher Beamter zu werden.
Unter großen Schwierigkeiten, die besonders der von Pauly noch nicht beherrschte mechanische Instrumentenbau verursachte, wurden die ersten größeren Instrumente konstruiert und neue Arbeitsmaschinen eingerichtet.
In emsiger Arbeit verstrich die Zeit, in stetem Gedankenaustausch mit dem genialen Abbe vervollkommneten sich Methoden und Einrichtung. Überall fand der stille Beobachter zu jener Zeit die Spuren Paulys auch in den anderen Abteilungen des Zeiß-Werkes. Ohne es zu wollen und ohne daß es die meisten merkten, hafteten Paulys Anregungen und trieben Früchte.
Die Theoretiker H. Harting* und A. König leisteten begeistert Unterstützung mit neuen optischen Rechnungen; Herr Orth versuchte sein bestes in feinmechanischen Konstruktionen.
In dem Astronomen W. Villiger* (1902) und dem Ingenieur Fr. Meyer (1903) verstand Pauly originelle Helfer für Optik und Instrumentenbau zu finden und stellte so zwei hervorragende Männer an die richtigen Stellen.
Die Abteilung sicherte sich bald durch ihre Arbeiten großes Ansehen in der astronomischen Welt. Auch die im wesentlichen von Pauly selbst konstruierten Aussichtsfernrohre und militärischen Lichtsignalapparate verbreiteten den Ruf der Anstalt in weitere Kreise.
Von größeren Instrumenten, die unter Pauly aus dem neuen Institut hervorgingen, erwähne ich: den dreifachen 150, 120, 120 mm-Refraktor für Simeïs* (00-04), das 720 mm-Spiegelteleskop für den Königstuhl (01-04), das 640 mm- Objektivprisma für die Kap-Sternwarte (02), das Zenitteleskop für die Jenaer Sternwarte (04-06), das 400 mm-Spiegelteleskop für Innsbruck (03-05), das 1000 mm-Spiegelteleskop für Bergedorf (08-11), den 145 mm-UV-Petzval mit 15° und 30°* Objektivprismen für das Yerkes-Observatory (05, 11), den dreifachen 360 mm-Refraktor für Neuchâtel* (08-10), das 12"* Objektiv für die Berliner Sternwarte (08-11), die 350 und 300 mm-Objektive für Zürich (08-11), den 340 mm-Astrographen für Bergedorf (09-11), den 650 mm-Refraktor für Babelsberg und das 1911* begonnene, wegen des Krieges unvollendete 1200 mm-Spiegelteleskop für das gleiche Institut.
So ist in diesen 14 Jahren durch Pauly und seine Mitarbeiter die Großoptik in Deutschland zu unerwarteter und sich immer steigernder Entfaltung gelangt, und ihr Aufblühen wird dauernd an den Namen Pauly geknüpft sein.
Pauly, dessen Gesundheit in den letzten Jahren sichtlich zurückging, und der sich aus verschiedenen Gründen in seiner Stellung nicht mehr wohl fühlte, löste 1913* seine Beziehungen zum Zeiß-Werk.
Die letzten Jahre seines Lebens widmete er sich fast ganz seiner Frau und seinen Kindern. In aller Stille aber pflegte er seine alte Wissenschaft, die Chemie. Er arbeitete eifrig über Kolloïde. Leider schritt seine Krankheit, die durch die Aufregungen und Entbehrungen des Krieges Nahrung erhielt, rasch weiter. Sein früher so unvergleichlicher, goldiger Humor, der ihn seinen Freunden so wertvoll machte, hatte ihn verlassen. Wehmutsvoll und gebeugt durch die Leiden erwartete er den Tod, der ihn uns am 26. April 1917 entriß.
Pauly verstand es wie wenige, die Fähigkeiten von Leuten zu erkennen und sie für einen Zweck zu begeistern. Vor keiner Schwierigkeit scheute er zurück; alles, was er in die Hand nahm, ging schließlich, wenn auch oft nach vielen Verbesserungen. Alle Probleme wußte er mit ideenreichem Scharfblick von den verschiedenen Seiten anzupacken. In allem, was er angriff brachte er es zu einer Meisterschaft. Aber die Vielseitigkeit war ihm stets Gefahr; sie hinderte ihn wohl, noch höher zu steigen.
Von Manchen, die ihn nicht aus nächster Nahe kannten, ist die geistige Bedeutung Paulys nicht recht erfaßt worden. Das kommt daher, daß er, im Umgang ein äußerst bescheidener und stiller Mensch, sich nirgends vordrängte, aber doch bei jedem Umgang stets der anregende und gebende Teil war, ohne daß es die meisten gewahr wurden.
 |  | Astronomische Werkstatt Paulys, um 1904 | Max Wolf, Direktor der Sternwarte Heidelberg-Königstuhl |
Königstuhl, 1918 Juli. Max Wolf
1) Siehe http://www.nafa.dk/index.php?id=uraniahist
2) Hier weicht diese redigierte Version ausnahmsweise vom Originalsatzspiegel ab, bei dem an beiden Stellen ein nicht akzentuiertes O als erster Letter eingesetzt wurde, an der ersten Stelle mit folgendem Leerzeichen und an der zweiten Stelle mit folgendem Bindestrich. Statt dessen folgt diese Version der Schreibweise in Meyers Großes Konversations-Lexikon von 1905 für den Ort der ersten ungarischen Sternwarte.
3) Es darf angenommen werden, daß sich die Jahreszahl ([18]89) auf das Teleskop von Alexander Grinenko bezieht, denn der seit 1929 im Besitz der Volkssternwarte Köln befindliche andere Pauly-Refraktor wurde 1891 von Philipp Fauth bestellt und auch fertig gestellt (persönliche Mitteilung von Hermann-Michael Hahn an den Autor der Fußnote).
* Vermutlich durch den Einsatz von OCR-Software beim Scannen des Originals hatten sich Fehler in der HTML-Version ergeben. Diese sind hier korrigiert.
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Aussage bzgl. des Urania-Objektivs
Von Diplom-Astronom Hans G. Beck, Jena.
aus dem Englischen übersetzt von Ingo Kelmes
Die Geschichte des kostenfreien Geschenks von Glasronden durch Otto Schott an [Victor] Nielsen kann leicht erklärt werden: Als Schott 1884 seine Arbeit in den Glaslaboren in Jena begann, arbeitete er ein Programm aus, alle möglichen Kombinationsarten von Mineralien zu untersuchen. Er führte eine große Anzahl von Versuchen aus, hunderte und Aberhunderte. Wegen der kleinen Abmessungen der Mikro[skop]optik und der Anforderung an ein Prisma zur Überprüfung der Dispersionseigenschaften war die Glasmenge für jeden Versuch nicht hoch.
Jedenfalls ist dokumentiert dass Ernst Abbe, der sehr vertraut mit der Arbeit von Fraunhofer war, Schott vorschlug, größere Glasmengen zu erschmelzen, die für Teleskopoptiken genutzt werden könnten. Weiter schlug er vor, die Glasschmelze in eine "Form" einer zylindrischen Ronde statt eines Glasblocks zu gießen. Indem er dies ausführte muss Schott eine Anzahl von Glasronden hergestellt haben aber niemand in Jena hatte besondere Erfahrung im Schleifen und Polieren von Linsen größerer Abmessungen mit hoher Genauigkeit.
Ernst Abbe sandte 1866 seinen Assistenten Siegfried4) Czapski zu Carl Bamberg, der ein Lehrling von Carl Zeiss war, und der astronomische Geräte in einer Betriebswerkstatt in Friedenau nahe Berlin herstellte5). Czapski rechnete zwei Objektive, die in Bambergs Werkstatt gefertigt wurden. Aber die genutzten Gläser, Phosphorcrown und Baratflint, waren empfindlich gegen den Einfluß der Atmosphäre. Zu dieser Zeit nutzte Max Pauly die neuen Gläser aus Jena vor seinem Eintritt bei Zeiss 1897.
So ist erklärt warum die Linsenfassung keine Nummer trägt. Es gibt ein weiteres Objektiv von Max Pauly in Frankfurt a. Main im Observatorium des Physikalischer Verein.
4) Im englischen Original lautet der Vorname "Cars"; der Nachlass von Max Wolf erwähnt allerdings nur Siegfried Czapski, den Assistenten von Ernst Abbe.
5) 1871-1887 laut Wikipedia noch in Berlin Mitte, siehe den Eintrag zu den Askania-Werken.
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