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Volkssternwarte Köln
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 Volkssternwarte Köln
cleopatra Offline

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Beiträge: 369

17.09.2022 16:38
Die Kuppelteleskope der Volkssternwarte im Wandel der Zeit antworten

Dies ist die ausführliche Version des gleichnamigen Festschriftartikels, für die der vorhandene Platz nicht mehr reichte. Insbesondere wird hier das Quellenverzeichnis nachgeliefert
LG Ingo


Krankheitsbedingt bin ich noch nicht zur Fertigstellung der pdf-Datei der Langversion zum Herunterladen gekommen, aber jetzt kommt erst mal die ausführliche Textversion:


Die Kuppelteleskope der Volkssternwarte im Wandel der Zeit

In die Geschichte der Astronomie trat 1608 die Erfindung des Linsenfernrohrs durch den Brillenmacher Jan bzw. Hans Lipper(s)hey sowie zwischen 1616 und 1672 die Entwicklung der Grundformen des Spiegelfernrohrs durch u.a. Nicolaus Zucchius (Schiefspiegler mit Galilei-Okular), Isaac Newton und Laurent Cassegrain, während das Konzept des okularlosen Schiefspieglers bereits 1512 von Leonardo da Vinci erwähnt wird. Dies waren die wichtigsten Voraussetzungen zum beschleunigten Erkenntnisgewinn seit dem 17. Jahrhundert, aber da beide Teleskoptypen noch mit großen Anfangsproblemen behaftet waren (z.B. der Farbfehler der Linsenteleskope sowie die Bearbeitungsfehler und schnelle "Spiegelerblindung" der zunächst verwendeten reinen Metallspiegel) konnte sich lange keiner der beiden Typen durchsetzen. Erst in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts trat das Spiegelteleskop in der professionellen Astronomie seinen Siegeszug an. Während dort das Kriterium der Grenzgröße höchste Priorität hat und beispielsweise das Teleskopgewicht oder die durch vier oder sechs Strahlen (Spikes) ver(un)zierte Sternabbildung untergeordnete Rollen spielen, gelten bis heute in unserem Hobby, der Amateurastronomie, noch andere Prioritäten, zu denen auch die Ästhetik und Genauigkeit der Sternabbildung zählt. So kam es, dass die Amateure sich in zwei Lager spalteten, die "Refraktorliebhaber" und die "Reflektornutzer", was sich auch in der Geschichte unserer Kuppelteleskope widerspiegelt.
Aus dem weiland ziemlich unversöhnlichen Diskurs der diesbzgl. These und Antithese ist inzwischen eine Synthese erwachsen, die Erkenntnis, dass jeder Teleskoptyp seine eigenen Stärken und Schwächen hat und erst die Kombination aus einem lichtstarken Reflektor und einem nicht zu kleinen apochromatischen Refraktor alle unsere Mitglieder zufriedenstellen kann.

Aber nun zu unserer eigenen Teleskopgeschichte:

Der Pauly-Refraktor (1936 -1967)



Bild 1

Als es den Mitgliedern 1935, also 13 Jahre nach Vereinsgründung, gelungen war, die erste Kölner Volkssternwarte, eine Trommeldachkuppel auf dem Dach der evangelischen Volksschule zwischen Großem Griechenmarkt und Agrippastraße zu errichten, ergab sich auch die Gelegenheit, ein seinerzeit bereits berühmtes Teleskop dafür zu nutzen. Dessen Fraunhoferoptik (Bild 1, die roten Pfeile markieren die Lage von zweien der drei Spacer, das sind Abstandshalterplättchen zur Einstellung des Luftspalts zwischen den beiden Linsen) wurde 1891 von Max Pauly (1849-1917, Chemiker, Zuckerfabrikant und später Optiker bei Zeiss) in Mühlberg an der Elbe für den ihm befreundeten Philipp Fauth gefertigt und hat eine Öffnung von 6 pouce (französisches Zollmaß), das sind 162.42 mm. 2)


Bild 2

Für die Brennweite findet sich in unseren Annalen der Wert 2850 mm. 3), 4) Allerdings vermutete unser Ehrenvorsitzender Hermann-Michael Hahn anhand des dafür zu kleinen Sonnenbilds schon in den 1970er-Jahren, dass der Wert eher bei 2750mm liegen müsse 10), was schließlich unlängst bestätigt wurde: Eine Vermessung der Distanz zwischen hinterer Flanschkante der Linsenfassung und Fokus (Bild 2) am 10.09.2022 durch unseren Optiker Matthias Wirth ergab in Autokollimation einen Wert von (2752+-3)mm 22); wegen der Lage der Linsen (beide hinter dieser Kante, siehe Bilder 2, 3) ist die Brennweite etwas geringer als dieser Wert.

Bild 3

Vor allem mit diesem Teleskop hat der Mondbeobachter Philipp Fauth (1867-1941) seit 1891 in seiner Sternwarte zu Kaiserslautern seinen zeichnerischen Mondatlas erstellt 1), 21), der erst 1964 von seinem Sohn Hermann veröffentlicht wurde. Ab 1911 hatte Fauth ihn mit Detailzeichnungen ergänzt, die er mit einem 7"-Apochromaten von Max Pauly und dem berühmten Schupmannschen Medial von 38,5cm Öffnung erstellte, das im zweiten Weltkrieg zerstört wurde. 20) Über unser Gründungsmitglied Karl Glitscher, der das Teleskop 1916 von Fauth gekauft hatte 6), kam es 1929 in den Besitz der Volkssternwarte und wurde ab 1936 in der neuen Kuppel für öffentliche Sternführungen genutzt, montiert auf einer schweren Merzschen Säule mit Glockenfuß 11),22) ebenfalls von Karl Glitscher, nachdem es den Mitgliedern in der Privatsternwarte Glitschers 1930 bereits für Führungen durch unser Mitglied Dr. Wolfgang Malsch zur Verfügung gestanden hatte. 15)

Nach Beginn des zweiten Weltkriegs wurde der Betrieb der Volkssternwarte eingestellt. Das Pauly-Objektiv wurde aus dem Tubus ausgebaut und in einem Banksafe in Bergisch Gladbach eingelagert. Ab 1942 häuften sich die Bombenangriffe auf Köln, denen schließlich Zehntausende Einwohner zum Opfer fielen und die über 40% der Gebäude auf Stadtgebiet und über 90% im Zentrum zerstörten, auch die Volkssternwarte. Das Pauly-Objektiv und der Holzkasten mit seinen Okularen überstanden den Krieg im Bankschließfach zum Glück unbeschadet, alles andere (Montierung, Säule, auch die Bibliothek) wurde zerstört. 10)

Nach Überstehen der Notzeit von Krieg, Gefangenschaft, Hungerwintern, Trümmerbeseitigung und den Anfängen des Wiederaufbaus fanden sich 1951 einige Mitglieder wieder zusammen, um ihr Hobby, die Amateurastronomie fortzuführen (wer heute, wo Übergewicht bereits im Kindesalter ein verbreitetes Problem ist, eine Ahnung von der damaligen Notzeit erhaschen möchte, sollte sich den Film "Berliner Ballade" anschauen, in dem ein spindeldürrer Gert Fröbe die Folgen der Unterernährung darstellt; dabei war dieser Schauspieler eher durch seine später massig-bedrohliche Erscheinung in Filmen wie "Goldfinger" bekannt). Das Pauly-Objektiv wurde wieder in einen Tubus eingebaut und das Teleskop zunächst mobil auf einem Schulhof in Rodenkirchen für öffentliche Führungen genutzt, und zwar auf der schweren blauen Säule mit den 4 angeschweißten leitwerkähnlichen Streben (einigen älteren Mitgliedern deshalb noch unter dem Spitznamen Saturn-V-Säule bekannt) 5). Unsere Mitglieder Walter Padberg und H. Braun hatten in den 1950er Jahren diese schwere Säulenmontierung bei der Firma Knapsack-Griesheim AG bauen lassen. 3), 7)

Bild 4

Als 1961/62 das im Krieg zerstörte Schiller-Gymnasium (ursprünglicher Sitz war Ehrenfeld) in Sülz wieder aufgebaut wurde, ergab sich über Schulamt und Stadt die Gelegenheit, auf dem Dach des Hauptgebäudes eine neue Volkssternwarte zu errichten, diesmal als klassische Holzkuppel mit Kupferaußenhaut. Darin wurde der Refraktor auf der Saturn-V-Säule installiert (Bild 4 8)). Auf dieser Montierung leistete der Pauly-Refraktor dann noch fünf Jahre gute Dienste in den öffentlichen Führungen. Dies hatte sicher auch Einfluß auf die Entscheidung für das Nachfolgeteleskop, das dann wieder ein Refraktor wurde (siehe nächstes Kapitel).

1971 wurde der Pauly-Refraktor dann in der Außenstelle der Sternwarte in Scheuren installiert 10), und zwar auf der ersten Knicksäulen-Montierung unseres Mitglieds Hubert Abermeth (1912-1984), die dieser auf bemerkenswerte Schwingungsarmut gerechnet 12) und in der Bayer-Lehrwerkstatt zusammen mit einem zweiten Exemplar hatte bauen lassen. 10),13) Wegen der niedrigen Konstruktion des Gebäudes mit abfahrbarem Dach wurde der lange Tubus von ihm durch einen kurzbauenden Kasten mit Schaer-Strahlengang ersetzt. Dort stand es nun nur noch den Scheurennutzern zur Verfügung. 1984 wurde die Optik mit dem zweiten Exemplar der Abermeth-Montierung schließlich einigen interessierten Mitgliedern als Leihgabe überlassen, die inzwischen in eigener Initiative eine Sternwarte in Höchstberg in der Eifel errichtet hatten und anderen Mitgliedern der Kölner Sternfreunde im Gegenzug dortige Beobachtungsmöglichkeiten und Logis anboten. 13)

Nachdem es dort 1992/93 durch einen größeren Astrographen ersetzt wurde, wartet das Pauly-Objektiv inzwischen auf ein neues first light. Unser Optikspezialist Matthias Wirth hat etwa 2005 das Objektiv einer Revision unterzogen: Es wurde zerlegt, gereinigt und die bis dahin ungefasten und deshalb sehr empfindlichen inneren Linsenkanten wurden mit einer Fase versehen, um die Ausbreitung der vorhandenen kleinen Muschelbrüche und weitere neue Muschelbrüche zu verhindern.
Verglichen mit heutigen hochwertigen Apochromaten zeigt die Optik natürlich ein relativ starkes sekundäres Spektrum, trotz der langen Brennweite. Die sphärische Aberration ist dafür gering, man merkt der Optik die gute Korrektur und Retusche durch Max Pauly an.
Allerdings ist die Homogenität der dafür verwendeten Schottgläser aus deren Anfangszeit laut Erfahrungen von Matthias Wirth heutigen optischen Gläsern um einiges unterlegen... 22)



Der Wachter-Coudé-Refraktor (1967-2012)

Der in den Sechziger Jahren auch den Naturwissenschaften gegenüber noch aufgeschlossenere Rat der Stadt Köln hatte auf Vermittlung unseres Mitglieds und ehemaligen 2. Vorsitzenden Heinz-Otto Dracker (1931-1985) ein offenes Ohr für den damaligen Wunsch der Sternwarte nach einem größeren Fernrohr, das die Möglichkeiten der 4,50m-Kuppel besser ausnutzen könnte und mehr Besucher*innen anziehen würde. 14) Auch die Griesheim-Montierung hatte sich bei großem Besucherandrang als anfällig für Trittschwingungen herausgestellt. 11) So wurde 1967 durch eine großzügige Spende des Stadtrates von 30000 DM der Kauf eines neuen Teleskops mit einer schweren, trittschwingungsentkoppelten Säule und Montierung ermöglicht. In der Mitgliederschaft hatten sich zwei Alternativen heraus kristallisiert, die kostenmäßig etwa gleich waren:
ein 40cm-Reflektor und
ein 22,5cm-Coudé-Refraktor.

Erstere Lösung hätte zwar eine erheblich bessere Grenzgröße gehabt, konnte sich aber als alleiniges Hauptinstrument nicht durchsetzen, da der Refraktor als alleiniges Hauptinstrument universeller einsetzbar war (weniger Seeing- und Auskühlprobleme, höherer Kontrast mangels zentraler Obstruktion und damit oft bessere Resultate an Planetenoberflächen).

Bild 5

Die beim Coudé-Strahlengang neue Möglichkeit, die Einblickposition durch drei um 45° gegen die hohlen Achsen geneigte Planspiegel immer an der gleichen Stelle zu haben 23) und deshalb bequem an einem Pult sitzend zu beobachten war ein besonders attraktives Argument für die zweite Lösung (Bild 5). Nicht nur ungeübte Besucher*innen profitierten von einer entspannten Körperhaltung durch bessere Beobachtungsergebnisse, auch die Amateurastronomen schätzten die Möglichkeit, auf dem Pult neben dem Okular Sternkarten zu nutzen oder bequem Zeichnungen anzufertigen. Auch die gute Qualität des Pauly-Objektivs mag eine Rolle gespielt haben, von einem größeren Refraktor die besseren Ergebnisse zu erwarten. Zudem entfielen die Kosten für ein neues Fundament durch die bei der Firma Wachter vorhandene Möglichkeit, die Säule an den von Mitgliedern neu gebauten Instrumentenfuß für das vorhandene Fundament anpassen zu lassen. 9)

So fiel die Entscheidung zugunsten des 9"-Coudé-Refraktors der Firma von Manfred Wachter (1938-2000). Dieser hatte ein HA-Objektiv (d.h. halbapochromatisch, zweilinsig mit Luftspalt, aus Sondergläsern) von Dieter Lichtenknecker (1933-1990) mit 3000mm Brennweite und die große Typ IV Montierung mit Nemec-Teilkreis (d.h. der Teilkreis dreht sich bei der Nachführung mit und zeigt so tatsächlich die Rektaszension an). Zu Anfang eines Beobachtungsabends wurde ein heller Stern mit bekannter Rektaszension eingestellt, dann der Teilkreis gelöst und so lange verdreht, bis am Nonius die korrekte Rektaszension eingestellt war. 9) Für den Rest des Abends stimmte die Einstellung dann, wenn man nicht zu viel mit dem Schnellauf "fuhr".
Später wurde der oberen (nördlichen) Montierungsplatte dann von unserem Mitglied Johannes Schiller noch eine Sternzeitmarkierung spendiert, um den Teilkreis auch bei teilbewölktem Himmel nur über die aktuelle Sternzeit justieren zu können. Dazu hatte unser Mitglied und langjähriger 1. Vorsitzender Dr. Klaus Güssow eine Funkuhr für die Kuppel gebaut, die aus dem Signal des Senders Mainflingen die Sternzeit ableitete. Auch andere Verbesserungen gab es im Laufe der Zeit, z.B. um nicht länger den berühmten Griff über den Kopf ins Dunkle machen zu müssen, um den Sterngriff der Deklinationseinstellwelle zu erwischen und das "Objekt der Begierde" in die Mitte des Okulargesichtsfeldes zu holen.
Die ausführliche Geschichte des Wachter-Refraktors mit seinen Verbesserungen und einer von Matthias Wirth beigesteuerten Anekdote kann in unserem Forum nachgelesen werden:
Der Wachter Coudé-Refraktor



Das Cologne Large Telescope CLT seit 2012

Im direkten Vergleich zwischen dem Wachter-Refraktor und modernen Apochromaten zeigte sich bereits 2006, dass z.B. ein LZOS 7"-Apochromat am Jupiter mehr Detail und ein helleres Bild zeigte. Der Autor hat 2011 eine Zeichnung des Whirlpool-Nebels M51 mit dem Wachter-Refraktor angefertigt und hat dabei die visuelle Grenze des Teleskops ausgelotet:
M51 im Wachter
Auch bei anderen Mitgliedern kam der Wunsch nach einer besseren visuellen Grenzgröße auf, zumal die wachsende Lichtverschmutzung über Köln die Zahl der dem Refraktor zugänglichen Objekte weiter verringerte. Als zudem die veranschlagten Kosten für den geplanten Planetariumsbau durch die Preisentwicklung bei den Projektoren und durch Probleme bei der Statik des Aufstellungsortes den Spendeneinnahmen der dafür 1997 gestarteten Aktion "Kölner Himmel" davonliefen, entschied die Mitgliederversammlung, den nicht zweckgebundenen Teil der Spenden für die Neuanschaffung eines lichtstarken Cassegrain-Reflektors umzuwidmen.

Bild 6

Auf Rat unseres Optikspezialisten Matthias Wirth sollte die Apertur bei 24" liegen, um einen deutlichen Gewinn an Beobachtungsmöglichkeiten auch unter den schlechten lokalen Bedingungen zu erzielen. Matthias Wirth erbot sich, zu einem entsprechend hochwertigen Optikset der Firma LOMO einen stabilen, temperaturkompensierten Tubus zu entwerfen und zu bauen, eine Kombination aus einem extrem steifen Gitterrohraußentubus und einem leichten Innenvolltubus (dem durch den Kuppelspalt eindringenden Straßenstreulicht geschuldet). Als Unterbau sollte die neu entwickelte Knopf-Montierung MK140 auf einer schweren Knicksäule zum Einsatz kommen, da sie im Gegensatz zu damaligen direktangetriebenen Montierungen auch bei einem Stromausfall die nötige Betriebssicherheit bot und andere Montierungen auch hinsichtlich der möglichen Zuladung übertraf (Bild 6). Dies wurde schließlich vom Vorstand beschlossen und in Auftrag gegeben. An Kosten kamen u.a. zusammen: ca. 25000 € für das Optikset, ca. 17000 € für den Tubus, ca. 40000 € für die Montierung. 22)

Die Fangspiegelspinne war zunächst auf maximales visuelles Ergebnis ausgerichtet, d.h. extrem dünne aber großflächige Streben aus Silberstahl, um die Spikes um helle Sterne zu minimieren und so eine refraktornahe Sternabbildung zu erzielen. Außerdem gibt es eine gegen den Teleskopdeckel tauschbare Exzenterblende mit einer 251mm-Öffnung, die den Cassegrain quasi zu einem langbrennweitigen 10"-Apochromaten umfunktioniert (f=5400mm), der bereits den Spitznamen "Lochi" hat. 19)

Als Steuerung sollte die Littlefoot Photo eingesetzt werden, die Schrittmotore mit bis zu 2A versorgt.

Die Montierung war zunächst mit Rutschkupplungen ausgelegt, was hier jetzt noch nachzulesen ist:

https://www.apm-telescopes.net/de/apm-professional-teleskop-montierung-apm-ge-300

Das jeweilige Hauptschneckenrad wurde über seine Schnecke und diese wiederum über ein Schneckenvorgelege angetrieben. Die Vorgelegeschnecke war einseitig fix und am anderen Ende axial federnd gelagert, was sich später als der größte, aber nicht der einzige Fehler der ganzen elektromechanischen Konstruktion erwies...

Eine der Vorgaben, die wir hinsichtlich maximaler Nachführgeschwindigkeit an die beteiligten Hersteller gemacht hatten, leitete sich aus der Möglichkeit ab, ggf. durch entsprechende Software die ISS verfolgen zu können und dadurch scharfe Aufnahmen von ihr zu erhalten. Anderen Sternwarten, z.B. der Münchner Volkssternwarte, war das schließlich bereits gelungen. Daraus ergab sich, dass wenigstens 500fache Nachführgeschwindigkeit in beiden Achsen zu fordern war. Beim Einstellen der Steuerungsparameter zeigte sich aber, dass ein halbwegs stabiler Betrieb nur bis etwa 320fach möglich war.

Im praktischen Führungsalltag traten zudem immer wieder Probleme auf, die sich durch ein Hängenbleiben oder sogar durch ein Schlagen der Montierung äußerten. Da anfangs auch nur Relativ-Encoder verbaut waren, mußte nach solchen Störungen jedes Mal ein neues Alignment gemacht werden, kurzum, wir Sternführer mußten bereits zu Beginn einer Führung um Verständnis bitten, dass zur Zeit nur ein Testbetrieb möglich sei.

Da sich Montierungsbauer und Steuerungsanbieter auch noch gegenseitig die Schuld zuschoben, war die Situation alles andere als entspannt.
Um hier überhaupt mitreden zu können, habe ich die Losbrechdrehmomente der beworbenen Rutschkupplungen in beiden Achsen vermessen und kam auf unglaubliche 120Nm im nicht geklemmten Zustand! Das hieß, dass ein leichteres Mitglied als ich an dem für die Messung ausgewählten Endpunkt des Hebelarms einen Klimmzug machen konnte, ohne dass sich der Tubus in Deklination bewegte!
Bei einer Revision der Schneckenräder nach einem halben Jahr (aufgrund der immer größeren Probleme) kam heraus, dass die Zähne an einigen Stellen schon deutlich heruntergeschliffen waren! Offenbar war das Schneckenrad leicht exzentrisch und fraß sich deshalb an bestimmten Stellen fast fest.
Die Steuerung war mit den max. 2A für den Antrieb aber auch überfordert, weshalb wir zur ersten Version der Deltacode wechselten, noch Starcontrol genannt. Aber auch diese Steuerung mit ihren 4A war mit dem Antrieb der Montierung in der damaligen Konfiguration überfordert. Das Achsenkreuz wurde ausgetauscht, die neue Version enthielt bereits keine Rutschkupplungen mehr (wohl um meine Kritik am viel zu hohen Losbrechmoment zu entkräften).
Die maximale Nachführgeschwindigkeit war etwas höher, die Probleme mit dem Schlagen blieben.
Auch ein Steuerungswechsel zur amerikanischen Sitech-Steuerung mit Servo- statt Schrittmotoren brachte nicht den gewünschten Erfolg. Statt im hohen Drehzahlbereich traten die Probleme jetzt eher bei niedrigen Drehzahlen auf. Außerdem brauchte diese Steuerung ständig ein angeschlossenes Notebook, auf dem die Software nur auf WinXP lief, noch dazu in einem lächerlich kleinen, nicht zoombaren Fenster, für das man entweder junge Augen oder eine starke Lupe brauchte...
So wurde schließlich nach inzwischen zwei zerschlissenen Montierungen und drei Steuerungen klar, dass ohne eine gründliche Beseitigung der konstruktiven Mängel der Montierung das Teleskop niemals zufriedenstellend funktionieren würde. Der Firma APM Telescopes (Markus Ludes), die ja das Gesamtpaket aus Optikset, Montierung und Steuerung angeboten hatte und wegen der Mängel immer noch auf die deswegen zurückgehaltene dritte Teilzahlung wartete wurde deshalb vom Vorstand eine Frist bis Februar 2017 gesetzt, nach der der Kauf rückabgewickelt worden wäre, falls die Mängel noch nicht beseitigt wären. Den Antrag dazu hatte unser Mitglied Elke Höffken in die Tagesordnung der für den 04.02.2017 angesetzten Mitgliederversammlung aufnehmen lassen. 17)

Insbesondere die einseitig federnd gelagerte Vorgelegeschnecke blieb an bestimmten Montierungsausrichtungen durch die dann maximale Reibung hängen und zog dann die Feder aus. Wenn die zusätzliche Federkraft ausreichte, um die Montierung weiterzubewegen, geschah dies ruckartig und führte zu dem Schlagen mit der verheerenden Wirkung auf die Schneckenradzähne. Im Emailverkehr mit Michael Knopf hatte ich deshalb auch schon Verbesserungsvorschläge gemacht. Diese wurden bei der Revision der inzwischen dritten Montierung am 01.02.2017 aber noch übertroffen: 18)
- Das Schneckenvorgelege wurde durch ein Planetengetriebe sowie eine Zahnriemenuntersetzung (glasfaserverstärkt) ersetzt.
- Statt der Servomotoren wurden besonders starke Schrittmotoren eingebaut.
- Die starr montierten Lagerblöcke für die Hauptschnecken wurden durch seitlich gefederte Lagerblöcke ersetzt, um die unvermeidlichen Exzentrizitätsfehler der großen Schneckenräder auszugleichen und eine ungleichmäßige Abnutzung der Zähne zu verhindern.
- Die Relativ-Encoder sind Absolut-Encodern gewichen.
- Als Steuerung verwenden wir jetzt die neue Deltacode.

Alle diese Maßnahmen haben in Summe zur Beseitigung der Mängel geführt, auch die maximale Geschwindigkeit liegt jetzt störungsfrei über 500fach.

Damit konnten wir ab Februar 2017 endlich wieder reguläre Sternführungen ohne Hinweis auf Testbetrieb anbieten.

Jetzt kamen aber auch unsere Astrofotografen auf den Geschmack. Dabei zeigte sich nun aber die kompromisslose Optimierung auf visuelles Beobachten als Nachteil, denn die dünnen Fangspiegelspinnenstreben hielten die Fokuslage für längere Belichtungen nicht ausreichend stabil.
In seiner letzten Revision durch Matthias Wirth wurden diese Streben deshalb durch dickere ersetzt und die Taukappe gekürzt um weiteren unliebsamen Begegnungen mit dem Kuppelrad aus dem Weg zu gehen.
Seitdem bietet das CLT hervorragende Beobachtungs- und Astrofotoergebnisse, sofern bestimmte Maßnahmen beachtet werden, die der Seeingempfindlichkeit einer so großen Öffnung geschuldet sind:
- Mindestens 15-30 Minuten vor Führungsbeginn sollte der Kuppelspalt geöffnet und der CLT-Deckel abgenommen werden, um eine rudimentäre Temperierung der Optik und der Kuppel zu ermöglichen.
- Während der Führung sollte die Kuppeltür möglichst geschlossen bleiben.
- Der Kuppelspalt sollte maximal aufgedreht werden und so ausgerichtet werden, dass das CLT mittig "hindurchschaut".

Getreu dem Motto "per aspera ad astra" sieht man nach der langen Verbesserungsphase jetzt endlich auch sehr schwierige Beobachtungsobjekte, die im Wachter unsichtbar blieben, z.B.:
- den Zentralstern des Ringnebels bei 1080facher Vergrößerung (!)
- große Jupitermonde auch VOR der Planetenoberfläche
- den Orionnebel in Pastellfarben statt schnödem schwarzweiß
- deutlich über 20 Mio. Lichtjahre entfernte Spiralgalaxien



Der TEC-Refraktor seit 2012

Bereits bei der CLT-Planung stand fest, dass die Deklinationsachse mit ihren Gegengewichten nicht wie beim Wachter ansonsten funktionslos bleiben würde. Aufgrund des ausladenden CLT-Durchmessers wäre eine Befestigung weiterer Geräte (außer kleine Sucher) auf dessen Tubus nämlich in jedem Fall störend gewesen. Deshalb sollten weitere Geräte (z.B. das H-alpha-Teleskop, das huckepack auf dem Wachter montiert war) auf der Deklinationsachse neben den Gegengewichten montiert werden. Da außerdem am CLT der Mond nicht ins Gesichtsfeld von 2"-Okularen paßt, war der Bedarf nach einem kleineren Übersichtsteleskop klar. Wie eingangs erwähnt erschien deshalb ein guter, nicht zu kleiner apochromatischer Refraktor als ideale Ergänzung zum CLT. Michael Gutzeit, ein Freund von Matthias Wirth, hatte sich zwei solche Geräte bei Baader Planetarium gekauft, einen TEC 140 und einen Astrophysics 130 EDF. Da er den TEC jedoch kaum nutzen konnte und deshalb verkaufen wollte und Matthias Wirth inzwischen durch Tests an einem künstlichen Stern festgestellt hatte, dass dieses Exemplar im Vergleich zu anderen TECs, durch die er bereits schauen durfte, von überragender Qualität ist, empfahl er dem Vorstand, dieses Gerät auszuwählen (Bild 7).

Bild 7

Es handelt sich um einen dreilinsigen, ölgefügten Apochromaten aus ED-Gläsern, 140mm Öffnung, Brennweite 980mm (f/7). Genau wie das CLT verfügt er über einen hochwertigen 3,5"-Feathertouchauszug, das Okularzubehör kann deshalb ohne Umgewöhnung zwischen CLT und TEC gewechselt werden.
Mit einem auf die ausziehbare Taukappe aufgeschobenen Spezialchromfilter (einer holzgefassten Glasplanparallelplatte, deren Innenseite durch eine Chrombedampfung die Transmission auf 1% reduziert) und einem okularseitigen Neutralgraufilter ND3 (Transmission 1 ‰) wird der TEC zum hervorragenden Sonnenteleskop für Weißlichtbeobachtung, denn die Bedampfungsinhomogenitäten trüben den Kontrast im Vergleich zu üblichen Sonnenfilterfolien tausend mal weniger.
Auch bei der nächtlichen Beobachtung ist der TEC eine große Bereicherung, erlaubt er doch bei großem Besucherandrang das gleichzeitige Beobachten eines Objekts durch zwei Besucher*innen: Die beiden Teleskope sind dafür einerseits weit genug voneinander entfernt und andererseits ist der Kuppelspalt dafür zumindest angenähert breit genug. Bei geringem Besucherandrang ist allerdings Einzelbeobachtung besser, damit der CLT-Strahlengang nicht durch den Spalt beschnitten wird und das dann bessere Kuppelseeing mit höherer Vergrößerung ausgenutzt werden kann.
Ingo Kelmes

Quellen:
1. Journals: Philipp Fauth: Ueber neue Mondkrater. Astronomische Nachrichten. 1892. Band 130/3100. Seiten 61-62.
2. Journals: Max Wolf: Anzeige des Todes von Max Pauly. Astronomische Nachrichten. 1918. Band 207/4963. Seiten 219-224.
3. Rundbrief Nr. 3 (April 1957) 1.Jgg. Seiten 14-15
4. Rundbrief Nr. 4 (April 1959) 3.Jgg. Seiten 45-47
5. Rundbrief Nr. 5 (Mai 1960) 4.Jgg. Seite 68
6. Artikel von Robert Wehn: Paulys Meisterwerk aus Glas, erschienen in: Günter Doebel: Die Kuppel ist offen , Hrsg: VdS Köln e.V., Januar 1962
7. Artikel von Dr. Wolfgang Wepner: Die Sternfreunde in Köln, erschienen ebenda
8. Bild aus Artikel von Günter Doebel: Warum wir zu den Sternen blicken, erschienen ebenda
9. Mitteilungen 12.Jgg./1968 Nr. 1 Seiten 11-13
10. Festschrift 50 Jahre Volkssternwarte Köln, Hrsg: VdS Köln e.V., Spätherbst 1972
11. ANTARES 4/1982 26. Jahrgang Seiten 34-35
12. ANTARES 1/1984 28. Jahrgang Seite 2
13. ANTARES 1/1985 29. Jahrgang Seiten 5-6
14. ANTARES 2/1985 29. Jahrgang Seite 16
15. ANTARES 3/1986 30. Jahrgang Seite 17
16. Festschrift 75 Jahre Volkssternwarte Köln, Hrsg: VdS Köln e.V., Oktober 1997
17. Email vom 27.01.2017: VdS-Köln: Einladung zur Mitgliederversammlung - Ergänzung der Tagesordnung
18. Email vom 02.02.2017: M. Knopf: Mängelbeseitigung Köln
19. Erfahrungsbericht von Rudolf Tonn über CLT, "Lochi" und TEC vom 27.05.2017
20. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Schupmann-Medial-Fernrohr
21. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Philipp_Fauth
22. Persönliche Mitteilungen: Hermann-Michael Hahn, Matthias Wirth, Martin von Bongardt, Reinhard Schulz
23. Monsieur Coudé: Das Phantom des Observatoriums
(Auszug aus dem Artikel von Rudolf Tonn: Monsieur Coudé: Das Phantom des Observatoriums, erschienen in: Jahreschronik 2017 der Volkssternwarte)

cleopatra Offline

Mitglied VdS /
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Beiträge: 369

24.10.2022 00:32
#2 RE: Die Kuppelteleskope der Volkssternwarte im Wandel der Zeit antworten

So, nur zur Aktualisierung des Artikeldatums: habe den Artikel jetzt eingefügt.

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